Im Rahmen des Projektes wurde die Nutzungs- und Umweltgeschichte der Traisen aufgearbeitet. Die Grundlagen sind in das Buch "Die Traisen: Rückblick-Ausblick“ eingeflossen.
Die Traisen zählt zu den bedeutenden Donau-Zubringern. Von ihrem Ursprung in den Kalkalpen bis zur Mündung in die Donau entwässert sie ein Gebiet von 900 Quadratkilometern, was etwa einem Zwanzigstel der Landesfläche Niederösterreichs entspricht. Dieses Gebiet kann – betrachtet man die Wirtschaftsleistung – als Kernzone des Bundeslandes betrachtet werden.
Die Traisen war für die wirtschaftliche Entwicklung Segen und Fluch zugleich: Bereits ab dem Spätmittelalter wurde ihre Wasserkraft durch zahlreiche Wasserräder genutzt. Fallweise zogen Hochwasser eine Spur der Verwüstung und zerstörten das mühsam Aufgebaute. Um der Wucht der Hochwasser nicht so stark ausgeliefert zu sein, baute man die Wasserräder nicht direkt am Fluss, sondern errichtete zur Wasserkraftnutzung Mühlbäche. So entstand im gesamten Traisental eine Vielzahl künstlicher Gewässer, die das Wasser oft über viele Kilometer teilweise bis heute ausleiten.
An den Ufern der Mühlbäche entwickelte sich eine vielfältige Gewerbelandschaft. Neben Getreidemühlen gab es Schleifmühlen und Hammerwerke für die Eisenindustrie, Walkmühlen für die Tucherzeugung, später auch Hadernmühlen für die Papiererzeugung, Sägemühlen für die Holzverarbeitung und unterschiedliche Werke zum Zerkleinern wie Knochen-, Öl- und Pulverstampfen. St. Pölten gilt als die Wiege der österreichischen Papierindustrie, da hier im 15. Jahrhundert die erste Hadernmühle gegründet wurde.
Die Nutzungen reichen weit zurück und haben die Traisen massiv beeinträchtigt – mehr als alle anderen Flüsse im damaligen Niederösterreich. So wurde das Gewässerkontinuum ab dem Spätmittelalter durch zahlreiche Wehranlagen unterbrochen und das Wasser der Traisen ausgeleitet, sodass ihr Flussbett bei Niederwasser trockenfiel. Wie katastrophal die Zustände bereits im 16. Jahrhundert waren, belegt der Umstand, dass der Kaiser eigens für die Traisen eine Fischordnung erließ. In diesem Gesetz legte er 1541 fest, dass die Wehranlagen einen abgesenkten Bereich aufweisen müssen, damit die Fische aufsteigen können. Da die Querwerke damals nicht allzu hoch waren, konnten schwimmstarke Fischarten diese frühe Form der Fischaufstiegshilfen teilweise überwinden. Untersagt war auch eine vollständige Ausleitung des Traisen-Wassers, damit die Fische und die Fischbrut nicht geschädigt wurden. Daneben gab es natürlich auch unterschiedlichste Fangbeschränkungen und das Verbot bestimmter Fangmethoden.
Die Fischordnung ist ein außerordentliches Beispiel für nachhaltiges Denken an der Schwelle vom Mittelalter zur Neuzeit. Dass schon zu einem so frühen Zeitpunkt Schutzmaßnahmen erlassen wurden, ist nicht nur ein Beleg für die gewässerökologischen Probleme, sondern auch dafür, dass es bereits damals ein biologisches Wissen gab. Den Menschen war bekannt, wie wichtig das Gewässerkontinuum für die Vermehrung der aus der Donau aufsteigenden Fischbestände ist.
Wasserbau
Es ist ein weit verbreiteter Irrglaube, dass die Regulierung von Flüssen ein Phänomen jüngerer Zeit ist. Im Falle der Traisen zeugt ein in St. Pölten geborgener Gedenkstein aus der Römerzeit von flussbaulichen Maßnahmen. Er wurde dem Flussgott Neptun anlässlich der Regulierung eines Nebengewässers gestiftet und ist damit einer der ältesten Nachweise für flussbauliches Handeln überhaupt.
Bei den Eingriffen der Römer handelt es sich in der Regel allerdings um kleinere Maßnahmen, da sie Gewässer als heilige Objekte betrachteten. Den unberechenbaren Naturgewalten trugen die Römer Rechnung, indem sie die Siedlungen wenn irgendwie möglich außerhalb der potenziell hochwassergefährdeten Gebiete gründeten. Auch im Mittelalter und in der Neuzeit erfolgte der Hochwasserschutz in erster Linie präventiv durch Wahl eines hochwassersicheren Siedlungsstandorts. Ausgenommen davon war nur das wassergebundene Gewerbe, im Falle des Traisentals beispielsweise Mühlen, Gerbereien, Hammerwerke, Schleifereien und andere Eisen verarbeitende Betriebe. Um die Kraft des Wassers nutzen zu können, waren im Bereich dieser Objekte laufend wasserbauliche Eingriffe notwendig.
Für die Traisen lässt sich die Geschichte des Wasserbaus ab dem ausklingenden 18. Jahrhundert genauer illustrieren, da es aus dieser Zeit bereits Pläne, Protokolle und schriftliche Quellen für die Regulierungsmaßnahmen gibt. Die Unterlagen belegen die wasserbaulichen Probleme, die trotz aufwendiger Eingriffe über viele Jahrzehnte kaum abnahmen.
Der Wasserbau an der Traisen orientierte sich am Planungsideal der „Gewässerkorrektion“: Das verzweigte und somit „verwilderte“ Flussbett sollte „korrigiert“, d.h. auf einen Hauptarm eingeengt und begradigt werden. Ziel der Verbauungen war es, der Flusslandschaft neues Kulturland abzuringen und künftige Flussbettverlagerungen zu unterbinden. Bei den Regulierungsmaßnahmen im 20. Jahrhundert spielte der Hochwasserschutz eine immer wichtigere Rolle. So war es durch den technischen Fortschritt möglich, Siedlungen und technische Infrastruktur immer effektiver vor Hochwasser zu schützen. Der Schutz landwirtschaftlich genutzter Flächen hatte lange Zeit ebenfalls hohe Priorität.
Die Regulierungsmaßnahmen haben die Flusslandschaft im Laufe der Jahrhunderte stark verändert: Das Gerinne ist heute zumeist nach einheitlichen Profilquerschnitten ausgebaut, die Ufer sind bis auf wenige Bereiche durch Längs- und Querwerke durchgängig gesichert.
Mit dem Gewässerausbau nahm die Strukturvielfalt stark ab: Kiesbänke, Totholzablagerungen, Autümpel oder Steilufer sind in der heutigen Flusslandschaft selten geworden. Dieser Umstand spiegelt sich u.a. auch in der Zusammensetzung der Flora und Fauna wider. So sind einige Charakterarten der Wildflusslandschaft wie z.B. die Deutsche Tamariske verschwunden. Stark zurückgegangen sind auch die Bestände von Kiesbankbrütern wie Flussuferläufer und Flussregenpfeifer. Auch die Fischfauna wird durch zahlreiche Unterbrechungen des Gewässerkontinuums und strukturarme Lebensräume nachhaltig beeinträchtigt.
Zudem belasteten noch vor einigen Jahrzehnten ungeklärte Abwässer die Beschaffenheit des Gewässers und verwandelten insbesondere die Entnahmestrecken in lebensfeindliche Rinnsale. Der Weg zu einem sauberen, naturnahen Erscheinungsbild des Flusses war vor diesem Hintergrund eine große Herausforderung. Zunächst ging es – wie bei vielen anderen stark belasteten Gewässern – vor allem darum, die Wassergüte zu verbessern. Nach der Sanierung der Einleiter durch den Bau von Kläranlagen stand eine Aufwertung der Gewässerlebensräume im Vordergrund der Bemühungen. Im Rahmen zahlreicher Projekte sollte die Traisen zumindest in Teilbereichen wieder eine naturnahe Gestalt bekommen, um die Lebensräume für Tiere und Pflanzen zu verbessern und für die Bewohner der Region eine attraktive Erholungslandschaft zu schaffen.
In jüngerer Zeit beschäftigen sich zahlreiche Wasserbauprojekte mit der Aufwertung des monotonen Gerinnes der unteren Traisen, um die Vorgaben der EU-Wasserrahmenrichtlinie umzusetzen. Ziel ist es, sowohl die gewässerökologische Situation zu verbessern als auch den notwendigen Hochwasserschutz für die angrenzenden Siedlungen sicherzustellen. Ein wichtiges Anliegen ist es dabei, Barrieren für den Fischaufstieg zu beseitigen.
Ein gelungenes Beispiel für die Revitalisierungen ist das zwischen 2008 und 2016 umgesetzte LIFE-Projekt, eine der größten Flussrevitalisierungen in Österreich, wenn nicht sogar in Europa.
Dabei wurde die hart regulierte Flusslandschaft im Mündungsabschnitt auf eine Länge von zehn Kilometern umgestaltet und die Mündung in die Donau naturnah gestaltet. Wo noch vor kurzer Zeit ein geradliniges Flussbett verlief, mäandriert heute ein naturnahes Gerinne mit vielfältigen Lebensraumbedingungen für Tiere und Pflanzen. Durch die Umlandabsenkungen entwickelten sich Auenstandorte, die nun wieder einer natürlichen Flussdynamik unterliegen.
Der erfolgreiche Weg der gewässerökologischen Verbesserungen soll auch in der Zukunft fortgesetzt werden, um die Biodiversität zu erhalten und eine für den Menschen attraktive Flusslandschaft entstehen zu lassen.